Generalisierte Angststörung: ständiges Sich-Sorgen-Machen

Sorgen und Befürchtungen

 

„Schon meine Mutter hat sich immer nur Sorgen gemacht.“ 

 
Frau Albrecht ist 41 Jahre alt, Hausfrau, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie leidet seit Jahren unter ständigen unkontrollierbaren Sorgen und Befürchtungen, die sich im wesentlichen um alltägliche Dinge des Lebens drehen. 

Andere Menschen könnten ebenso besorgt sein, aber sie gehen besser damit um – getreu dem Motto „Das Leben ist immer lebensgefährlich“. 

Frau Albrecht hat z.B. Angst, dass ihr Mann bei beruflich oft notwendigen Auslandsaufenthalten überfallen werden oder bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen könnte. 

Wegen ihrer ständigen Angst um ihn und ihre Kinder muss er jederzeit über das Handy erreichbar sein, damit sie ihm ihre Sorgen mitteilen kann. Wenn dies einmal nicht möglich ist, bekommt sie Angst, es könnte ihm etwas zugestoßen sein. 

Sie hat auch die unbegründete Befürchtung, dass ihre Ehe in die Brüche gehen könnte, denn ihr Mann könnte sich ja im Rahmen seiner zahlreichen beruflichen Kontakte in eine andere Frau verlieben. 

Wenn sie von betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen in der Firma ihres Mannes hört, befürchtet sie, er könnte mit 45 Jahren gekündigt werden und dann vielleicht keine andere Arbeit mehr finden, sodass der Familienunterhalt bedroht wäre. 

Nicht selten beschäftigt sie sich mit der Frage, wie es mit der Familie weitergehen würde, wenn sie plötzlich zu einem Pflegefall werden sollte. Sie wird ganz unruhig bei dem immer wiederkehrenden Gedanken, dass sie sterben könnte, bevor alle drei Kinder verheiratet und damit versorgt sind. 

Keiner „entkommt“ ihrer übertriebenen Ängstlichkeit: Der 17jährige Sohn könnte mit dem Mofa verunglücken, die 16jährige Tochter ungewollt schwanger werden, der jüngste Sohn in der Schule durchfallen, weil ihm der Computer wichtiger sei, ihre Mutter könnte bald sterben und so weiter und so fort.  

Die Familienmitglieder sind sich einig: „Unsere Mutter braucht immer etwas, über das sie sich sorgen kann. Wenn der eine Grund für Sorgen wegfällt, findet sie bestimmt wieder einen anderen Anlass, sich unnötig hineinzusteigern“. 

Frau Albrecht kann dem sogar durchaus zustimmen, sie fühlt sich oft selbst nicht wohl in ihrer Haut, kann aber nicht anders, als sich immer wieder das Schlimmste vorzustellen. Irgendwie glaubt sie, dass gerade deshalb nichts passieren würde, weil sie sich genug gesorgt hat. 

Die anhaltenden und ständig wechselnden Sorgen bewirken zahlreiche körperliche Symptome, vor allem Schwindel, Benommenheit, häufige Übelkeit, Luftmangel und Herzklopfen. Nach mehreren Untersuchungen kann dafür keine organische Ursache gefunden werden. 

Die körperliche Verspannung zeigt sich vor allem in Kopfschmerzen und Schulter-Nacken-Verspannung, weshalb sie zeitweise auch zur Massage geht. 

Frau Albrecht kann sich kaum mehr entspannen, leidet öfter unter einer Einschlafstörung und benötigt gelegentlich Schlaf- oder Beruhigungsmittel. 

Als Kind war sie darüber sehr verärgert, dass ihre Mutter sie mit ihren ständigen unnötigen Sorgen und Befürchtungen eingeengt und belastet hatte. 

Sie kann ihr Verhalten als Erwachsene jedoch selbst nicht ändern, obwohl sie weiß, dass sie ihrem Mann und ihren Kinder damit auf die Nerven geht. 
 
 

Rauben Ihnen ständige Befürchtungen und Sorgen den Schlaf?

 
 1.  Erlebten Sie einmal einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten mit vorherrschender Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme?

 2. Traten dabei folgende Symptome auf?  

  •  Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz 
  •  Schweißausbrüche 
  •  Fein- oder grobmotorisches Zittern
  •  Mundtrockenheit  
  •  Atembeschwerden 
  •  Beklemmungsgefühl 
  •  Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust 
  •  Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchraum (z.B. Unruhegefühl im Magen) 
  •  Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit 
  •  Gefühl, dass Sie weit entfernt sind, nicht „wirklich hier“ sind, „neben sich stehen“ (Depersonalisation) oder die Umwelt und die Objekte unwirklich sind (Derealisation)
  •  Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“ 
  •  Angst zu sterben  
  •  Hitzegefühle oder Kälteschauer 
  •  Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle 
  •  Muskelverspannung, akute und chronische Schmerzen  
  •  Ruhelosigkeit und Unfähigkeit zum Entspannen 
  •  Gefühle von Aufgedrehtsein, Nervosität und psychischer Anspannung 
  •  Kloßgefühl im Hals oder Schluckbeschwerden 
  •  Übertriebene Reaktionen auf kleine Überraschungen oder Erschrecktwerden 
  •  Konzentrationsschwierigkeiten, Leeregefühl im Kopf wegen Sorgen oder Angst 
  •  Anhaltende Reizbarkeit 
  •  Einschlafstörungen wegen der Besorgnis  


3.  Sind Sie sicher, dass Ihre Symptomatik nicht die Kriterien einer Panikstörung, phobische Störung, Zwangsstörung oder hypochondrische Störung erfüllt?   
 
4.  Sind die Angstzustände nicht bedingt durch eine organische Störung (z.B. Schilddrüsenüberfunktion), eine Erkrankung des Gehirns oder die Einwirkung von Substanzen (Alkohol, Beruhigungsmittel, Drogen)?   
 
Wenn Sie die Fragen 1, 3 und 4 sowie mindestens vier Symptome bei Frage 2 (davon mindestens ein Symptom aus den vier erstgenannten Symptomen) zutreffend haben, haben Sie möglicherweise eine generalisierte Angststörung.
 
  

Wenn unkontrollierbare Ängste das Leben dominieren

 
Die zentralen Merkmale kurzgefasst:
 
A.  Eine generalisierte Angststörung besteht aus mindestens sechs Monate andauernden Anspannungen, Besorgnissen und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme.
 
B.  Mindestens vier Symptome der unten angegebenen Liste, davon eines von den Symptomen 1. bis 4., müssen vorliegen:
 
Vegetative Symptome:
1.  Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
2.  Schweißausbrüche
3.  fein- oder grobmotorisches Zittern
4.  Mundtrockenheit

Symptome, die Brust- und Bauchraum betreffen:
5.  Atembeschwerden
6.  Beklemmungsgefühl
7.  Schmerzen oder Missempfindungen im Brustbereich
8.  Übelkeit oder Missempfindungen im Bauch (z.B. Unruhegefühl im Magen)

Psychische Symptome:
9.  Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
10.  Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation), oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“ (Depersonalisation)
11.  Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“
12.  Angst zu sterben

Allgemeine Symptome:
13.  Hitzewallungen oder Kälteschauer
14.  Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle

Symptome der Anspannung:
15.  Muskelverspannung, akute und chronische Schmerzen
16.  Ruhelosigkeit und Unfähigkeit zum Entspannen
17.  Gefühle von Aufgedrehtsein, Nervosität und psychischer Anspannung
18.  Kloßgefühl im Hals oder Schluckbeschwerden
 
Andere unspezifische Symptome:
19.  Übertriebene Reaktionen auf kleine Überraschungen oder Erschrecktwerden
20.  Konzentrationsschwierigkeiten, Leeregefühle im Kopf wegen Sorgen oder Angst
21.  Anhaltende Reizbarkeit
22.  Einschlafstörung wegen der Besorgnis

C.  Die Symptomatik ist nicht erklärbar durch eine andere psychische Störung, eine körperliche Erkrankung oder Drogen- bzw. Medikamenteneinwirkung.


Ständige Befürchtungen, Verspannungen und Übererregtheit

Eine generalisierte Angststörung ist nicht auf bestimmte Situationen in der Umgebung beschränkt, sondern frei flottierend. „Generalisiert“ heißt, dass diese Form der Angststörung durch übertriebene, unrealistische, andauernde Besorgnisse, Ängste und Befürchtungen in Bezug auf vielfältige Aspekte des Lebens charakterisiert ist. Diese Ängste dauern mindestens sechs Monate an, ohne dass die Betroffenen sie kontrollieren können, obwohl ihnen klar ist, dass sie unbegründet sind.

Die häufigsten Sorgen beziehen sich auf das Wohlbefinden der Familie, auf die Arbeit, die finanzielle Lage oder die Gesundheit. Menschen mit einer generalisierten Angststörung und psychisch gesunde Personen unterscheiden sich nicht bezüglich der Inhalte, über die sie sich sorgen, wohl aber hinsichtlich der Zeitdauer und Intensität der Befürchtungen.
Dazu gesellt sich ein permanent erhöhter Angstpegel, der in der Regel keine Panikattacken bewirkt, jedoch mit motorischer Anspannung und vegetativen Symptomen verbunden ist.
Folgende Symptome sind typisch:

1.  Befürchtungen:

Sorgen über zukünftiges Unglück und entsprechende Vorahnungen: Angehörige könnten demnächst erkranken oder verunglücken, unbegründete Geldsorgen, übertriebene Sorgen um die Leistungsfähigkeit in der Schule oder im Beruf,

Nervosität: ständige geistige Übererregbarkeit, erhöhte Aufmerksamkeit und Gereiztheit angesichts der unkontrollierbaren Befürchtungen und Schreckhaftigkeit,
Konzentrationsschwierigkeiten oder Vergesslichkeit.

2.  Motorische Spannung:

  • körperliche Unruhe,
  • Spannungskopfschmerz,
  • Zittern: sichtbarer Ausdruck der Muskelanspannung, unwillkürliches Zucken, „wackelig auf den Beinen“ sein,
  • Unfähigkeit, sich zu entspannen: ständige muskuläre Anspannung, verbunden mit rascher Ermüdbarkeit und Erschöpfung. 


3.  Vegetative Übererregbarkeit:

  • Schwindel oder Benommenheit,
  • Atemnot, Erstickungsgefühle oder Atembeschleunigung,
  • Herzrasen,
  • Schwitzen,
  • Hitzewallungen oder Frösteln,
  • feucht-kalte Hände,
  • Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall,
  • häufiges Wasserlassen (Harndrang),
  • Mundtrockenheit,
  • Schluckbeschwerden oder Gefühl, einen „Kloß im Hals“ zu haben,
  • Ein- oder Durchschlafstörungen.

 
Die Ängste werden meistens nicht durch bestimmte äußere Reize oder Situationen ausgelöst, weshalb das Vermeidungsverhalten hier keine so große Rolle spielt wie bei Phobien, auch nicht durch bestimmte Körperwahrnehmungen wie bei Panikattacken. 

Äußere Reize können jedoch die innere Bereitschaft, sich Sorgen zu machen, aktivieren. Latent vorhandene Ängste etwa vor Erkrankungen in der Familie können durch Informationen über momentan gehäuft auftretende Fälle einer bestimmten Krankheit sofort manifest werden. 

Die Symptomatik wird häufig mit einer Depression verwechselt. In mehr als der Hälfte bis zwei Drittel der Fälle kommt im Laufe der Zeit tatsächlich auch eine Depression hinzu, sozusagen als resignativer Folgezustand der chronischen Sorgen und Befürchtungen, die kein Abschalten mehr erlauben. 

Oft werden auch abhängig machende Beruhigungsmittel oder Alkohol als vorübergehende Entspannungsmittel eingesetzt, bis diese selbst zu einem Problem werden. 

Eine generalisierte Angststörung findet sich häufiger bei Frauen, oft in Zusammenhang mit langdauernden Belastungen durch äußere Umstände. Der Verlauf ist unterschiedlich, kann aber ohne Behandlung chronisch werden. 
 
 

Wie generalisierte Ängste entstehen und aufrechterhalten werden

 
Eine generalisierte Angststörung kann viele Ursachen und Auslöser haben: Stress, Überforderung, Lebenskrisen, negative Lebenserfahrungen, Veranlagung, körperliche Erkrankungen und Beschwerden sowie mentale Mechanismen (negative Denkmuster). 

Die Symptome zeigen sich zu Beginn meist recht abgeschwächt und in Zusammenhang mit bestimmten Belastungen und Lebensproblemen, aber im Laufe der Jahre prägen sie sich immer stärker aus. 

Man kann die ständigen Sorgen und Befürchtungen auch als „Problemlösungsprozess ohne Problemlösung“ verstehen. Die Betroffenen spielen gedanklich alle möglichen Katastrophen durch, ohne jemals zu Lösungen zu gelangen, wie diese Katastrophen vermieden werden könnten. 

Das ständige Grübeln ist nicht nur die Wurzel des Übels, sondern auch ein Lösungsversuch. Denn: sich zu sorgen, scheint – ähnlich einem magischen Ritual – noch größeres Leid verhindern zu können, nach dem Motto: „Ich muss mich ständig sorgen, sonst passiert noch etwas Schlimmes“. 

Der Zukunft ohne große Befürchtungen entgegenzublicken wäre ja geradezu eine Provokation großen Unheils! Wenn die Betroffenen dann tatsächlich eine vorübergehende Erleichterung erleben, weil sie sich lange genug mit einer Befürchtung beschäftigt haben und nun gleichsam vor einer realen Gefahr bewahrt bleiben, haben sie das Grübeln letztlich verstärkt. 

Wer an einer generalisierten Angststörung leidet, dem fehlen also einerseits verlässliche Sicherheitsvorkehrungen oder –signale, zum anderen überschätzt er die Wahrscheinlichkeit von Gefahren und deren Auswirkungen. 

Wenn tatsächlich ein Verlust an Sicherheit erlebt wird, dreht sich die Spirale weiter – die Suche nach Sicherheit verstärkt sich noch mehr. 

Blicken wir einmal auf den „Ort des Geschehens“. Solange der Betroffene dort gewisse Sicherheitssignale ortet, geht es ihm noch halbwegs gut. Wenn aber diese Krücke – etwa eine bestimmte Person – verschwindet, schwindet mit ihr auch das Fünkchen Sicherheit. 

Dies macht blitzartig den generalisierten Ängsten Platz und führt zu einer rastlosen Suche nach einer anderen Quelle der Sicherheit. 

Die Betroffenen können sich kaum ein Gefühl von Sicherheit verschaffen und verlassen sich daher auf bestimmte Verwandte oder Freunde. 

Es fehlt ihnen das Vertrauen, dass sie selbst oder andere in bestimmten Situationen schon das Richtige oder Bestmögliche tun werden. Indem sie sich verzweifelt bemühen, ein bestimmtes Restrisiko auszuschalten, stellen sie es durch das permanente angstvolle Grübeln erst recht in den Mittelpunkt.  
 
 

Der Schlüssel: Finden Sie ein erträgliches Ende für Ihren Angstfilm im Kopf!
 

Ihre unkontrollierbaren Sorgen und Befürchtungen laufen nach dem Motto „Was wäre, wenn …“ so plastisch-bildhaft ab, dass Sie sich mehr und mehr in Angst und Panik hineinsteigern und sich den katastrophalen Ausgang in allen Farben ausmalen. 

Ihre Angst nährt die Angst – und auch Ihre ungebremsten Phantasien, die Kontrolle zu verlieren. Ihre gedanklichen Katastrophenbilder führen zu einer ständigen körperlichen und psychischen Verspannung, die im Bedarfsfall kein konstruktives Handeln ermöglicht.
 
Was bringen Ihnen eigentlich Ihre Katastrophenphantasien, die Sie unruhig und schlaflos halten? Können Sie auf diese Weise vielleicht magisch ein befürchtetes Unglück abwehren, nur weil Sie es vorhergesehen haben und es dann nicht passieren muss? 

Gibt es nicht auch einen Erfolg ohne den typischen Spruch eines guten Schülers „Ich bekomme bestimmt eine schlechte Note“? 

Wenn Ihr ängstliches Grübeln erst einmal eine bildhafte, lebendige und detailreiche Gestalt angenommen hat, helfen Ihnen keine Ablenkungsstrategien mehr und auch kein vages positives Denken. Kennen Sie den Spruch: „Das Unbewusste kennt keine Verneinung“? 

Wenn Sie sich etwas so intensiv vorstellen, dass es nicht passieren soll („Hoffentlich hat mein Mann bei diesem Wetter heute keinen schweren Verkehrsunfall“), haben Sie es in Ihrer Phantasie bereits so lebendig erlebt, dass die reine Negation viel zu schwach ist, um die Macht Ihrer Vorstellungen aufzuheben. 

Durchbrechen Sie den Teufelskreis der ständigen Prophezeiungen, die sich – zumindest in Ihrer Phantasie – selbst erfüllen! Lernen Sie, mit Misserfolgsbefürchtungen anders umzugehen! 

Sagen Sie sich: „Das bin nicht ich, das ist meine Krankheit! Ich kann die Ängste jedoch bewältigen.“ Unkontrollierbare Ängste sind eine Krankheit wie Depressionen oder Essstörungen. 

Lernen Sie, Ihre Ängste vorerst einmal zu verstehen und anzunehmen, bevor Sie sich daran machen, den Teufelskreis zu durchbrechen. 

Lassen Sie den Angstfilm in Ihrem „Kopfkino“ einmal so ablaufen, dass er weniger katastrophal endet! Wenn Sie das als Ihr eigener Regisseur im Kopf erfolgreich durchgeführt haben, dann fahren Sie fort und entwickeln Sie gleich noch zwei Varianten eines nicht gar so schlimmen Endes. 

Sie werden sehen, wie leicht Ihnen das fällt – und wie befreiend es wirkt. Sie sollen kein „Happy End“ im Sinne eines unkritischen positiven Denkens erfinden, sondern Ihre Phantasie trainieren, akzeptable Überlebensvorstellungen bei erwarteten Problemen zu entwickeln. 

Konstruktives Tagträumen ist heute wieder als erster Schritt auf dem Weg zu einem großen Ziel anerkannt und wird nicht mehr länger als Realitätsflucht angesehen. 

Das Gegenteil des pessimistischen Denkens ist nicht immer das positive, sondern das realistische Denken: Es nimmt einerseits die Gefahren und Probleme ernst und sucht andererseits doch nach situationsspezifischen Lösungsmöglichkeiten. 

Wenn Sie sich erwartete Probleme und Katastrophen in den schillerndsten Farben ausmalen können, haben Sie auch die Fähigkeit, mental konstruktive Problemlösungen durchzuspielen. Auf diese Weise wird Ihre Kreativität wieder zum Segen und nicht zum Fluch für Sie! 

  

Mentales Training bei generalisierter Angststörung

 

Wenn Sie unter einer generalisierten Angststörung leiden, haben Sie ständige unkontrollierbare Sorgen und Befürchtungen, die Ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. In Ihrem Kopf laufen ständig Angstfilme ab nach dem Motto „Was wäre, wenn …“ oder „Hoffentlich passiert jetzt nicht dies oder jenes!“ 

Mein Rat: Lassen Sie das gefürchtete Ende Ihres Angstfilms mental zu, das heißt akzeptieren Sie die Bilder oder Szenen einer möglichen Katastrophe. Sie können ein gewisses Restrisiko nicht ausschließen, sondern nur annehmen. 

Entwickeln Sie zusätzlich jedoch in ebenso plastischer Weise mindestens drei Varianten, wie Ihr Angstfilm positiv ausgehen könnte. 

Wenn Sie ein erwünschtes glückliches Ende nicht mindestens so lebendig visualisieren können wie den befürchteten Ausgang, werden Sie das Negative immer für wahrscheinlicher halten als das Positive. 

Das ist die Tücke unseres Gedächtnisses: Was Sie als Unglück im Kopf so gespeichert haben, als wäre es schon (fast) passiert, bestärkt Ihren Glauben, dass Ihre Sorgen tatsächlich berechtigt sind. 

Die einleuchtende Begründung lautet: Sie haben ja alles schon vor Ihren Augen gesehen! 

Hypnose-Experimente belegen es ebenso: Wenn Hypnotisierten nicht erlebte Ereignisse in der Vergangenheit durch konkrete Visualisierung als tatsächlich passiert eingeredet werden, glauben viele davon, das Ereignis habe tatsächlich stattgefunden. 

Mein Vorschlag ist also: Erstellen Sie eine Liste jener typischen Situationen, die bei Ihnen unkontrollierbare Angstfilme auslösen und beschäftigen Sie sich ganz bewusst mit diesen Situationen im Sinne eines mentalen Trainings. Sie können nur dem vertrauensvoll entgegenblicken, was Sie in Ihrer Vorstellung für bewältigbar erlebt haben. 

  

Denkmuster ändern bei generalisierter Angststörung

 

Identifizieren und ändern Sie die zentralen Denkmuster einer generalisierten Angststörung, falls Sie darunter leiden sollten, z.B.: 

  • Ich muss mich ständig sorgen, damit kein Unglück passiert. 
  • Wenn nichts passiert ist, stellt dies den Beweis dafür dar, dass mein ständiges Sorgen sinnvoll und nützlich war. 
  • Wenn ich schon nichts tun kann, will ich wenigstens über alles Mögliche nachdenken, was passieren kann. 
  • Wenn ich nicht immer an alles denken würde, was passieren kann, würde noch viel mehr passieren, weil sich die anderen zu wenig Gedanken machen. 
  • Es geht mir besser, wenn ich mich über alles Mögliche sorge, als wenn ich hoffe, dass nichts passiert und dann kommt doch etwas daher. 
  • Ich darf an verschiedene Dinge gar nicht denken, sonst passiert tatsächlich ein Unglück. 
  • Wenn ich sorglos bin, werde ich immer durch eine böse Überraschung bestraft. 
  • Ich sorge mich ständig um die anderen, was zeigt, dass ich sie liebe.

 

Im Gegensatz zu Menschen mit Zwangsstörungen, die mit Hilfe bestimmter Rituale gefürchtete Ereignisse aktiv, jedoch letztlich ineffektiv verhindern möchten, wissen Sie, dass dies nichts hilft. Sie können es dann aber doch nicht lassen, sich zu sorgen, denn vielleicht passiert wenigstens das nicht, woran Sie schon gedacht haben – auch eine Art magisches Ritual? 

Solange Sie die Auffassung vertreten, dass Sie durch Ihre ständigen Sorgen und Befürchtungen noch mehr Unglück verhindern können, werden Sie kaum aus diesem Teufelskreis herauskommen. 

Seien Sie sich bewusst, dass sich die Sorgen bei einer generalisierten Angststörung auf alltägliche Situationen und Umstände beziehen, wo ein Unglück möglich, aber letztlich ziemlich unwahrscheinlich ist. 

Sie können nur hoffen, dass Ihre Angehörigen schon aufpassen werden und nicht zu Schaden kommen. Sie können nur darauf vertrauen, dass Sie sich schon irgendwie zu helfen wissen werden, wenn doch einmal ein unerwartetes Ereignis eintritt.